Kann denn ein Tag gestreift sein? Aber ja doch ...

Ein arbeitsreicher Tag neigt sich dem Ende, Feierabend, schnell noch in die Bibliothek um etwas bestimmtes zu finden. Das Zille-Bild mit dem Mauerblümchen für eine kleine Geschichte hab ich im Sinn und sehe nichts rings um mich her. Auf meinem Weg zu den Bücherregalen steht eine junge Frau, ihr Sohn posiert auf dem Fußboden im Gang, die Frau fängt mit einem Fotohandy die Situation ein.
Erst jetzt nehme ich es wahr, zauberhafte Licht-Schatten-Effekte schickt die herbstliche Abendsonne in den Raum. Das gleißende Licht durchdringt die Regale, teilt sie auf in Licht und Dunkelheit, Streifen entstehen. Der Junge hat dies entdeckt. Ich bin ihm dankbar, denn plötzlich ist die Hast des Tages verschwunden, ganz gemächlich schlendere ich durch die Regalreihen und vertiefe mich in Bücher so als hab ich alle Zeit der Welt ... Hab gefunden was ich suchte und verlasse die Bibliothek.

Draußen nehme ich ein Bild wahr am Himmel im Licht des Abends. Streifen aus weißen Wolken vor mir und hinter mir am Horizont wieder Streifenwolken.
Ein gestreifter Tag - ein schöner Abend. Zu Hause packe ich die Bücher und die Fotos aus und schaff es nicht sie zu sortieren. Stille und Ruhe in mir, lese nur in dem Zille-Buch von einer Welt vor 100 Jahren.

Der gestreifte Tag geht mir nicht aus dem Sinn, ein neuer Morgen beginnt und mit ihm der Weg zur Arbeit. Das Licht ist grau-gelb-rot und über dem Teltowkanal dampfender Waschkessel, im Radio die passende Musik ...
Am Ende der Straße steht ein riesiger weißer Mond inmitten des Himmelblau des Morgens und darunter ein graurotes Band der Nacht, ein Streifen in schmutzigem Weiß löst sich und steht nun vor dem Mond wie eine einsame Straße am Firmament.
Angekommen, Zielpunkt erreicht. Über den Häusern steigen erste Rauchwolken in Streifen aus den Schornsteinen, Flugzeuge hinterlassen ihre Spuren ... Der Arbeitstag kann beginnen ...

angi
September 2005