Sonnenflutstaubstrahlen

oder:
was hat mein Opa damit zu tun?



Meine Tochter und ich gehen spazieren, ganz fröhlich die Landschaft genießend, als wir am sonnedurchfluteten Himmel etwas unheimliches wahrnehmen. So eine Art Fata Morgana kommt angeflogen, hinter Wolkengebilden versteckt werden so Tempelteile herbeigeschafft, ein Babylon am Himmel entsteht, nicht von allein, jemand baut es, setzt Puzzleteile zusammen, transportiert die Teile, doch bleibt versteckt hinter Wolken. Und ich keine Kamera dabei, das muss ich knipsen!

Ich laufe zurück, sind ja nur wenige Schritte. Aber ich komme zu Haus nicht an, laufe plötzlich über Dächer, hangele mich durch Wäscheleinen, sehe meinen Hauseingang schon, da fragt jemand wer sind sie und wo wollen sie hin? Ich weiß es plötzlich nicht mehr, wer ich bin, wo ich wohne ... doch da, eine Gestalt kennt mich, sagt ich wohne doch dort hinten, um die Ecke und laufe dahin, sehe die Tür, einen Mann, ganz weiß im Gesicht, irgendwie kenne ich ihn. Er kriegt einen flüchtigen Kuss, "wo ist meine Kamera" rufe ich, er reicht sie mir ganz ruhig, ich außer Atem, erzähle, was ich gesehen habe ... und nun schauen alle aus dem Fenster, alle sehen das Schauspiel am Himmel, doch nur in Fragmenten, ich klettere durch das Fenster auf´s Dach, erst in einen Schrank, da steht ein Auto, rot, hinein, jetzt hab ich Position und knipse drauflos ... ein gigantisches Schauspiel, langsam kann ich hinter die Wolken sehen, ja Babylon am Himmel entsteht ... und sprühende Funken beim zusammensetzen wie aus einem großen Schmiedehammer ... und Dampf ...

Plötzlich wird das Auto zusammengedrückt, habe kaum noch Platz und Angst, ich höre eine Stimme, verstehe sie nicht, sehe eine Hand, in der Hand ist irgendwas ... gib her ... verstehe ich nun, die Hand fuchtelt ganz aufgeregt, was, die Kamera hergeben? Fotografieren verboten? Nein, meine Hand wird ergriffen, ich werde hochgezogen, aus dem Auto heraus, mit hinein in den Dunst, ich soll schauen, mir alles ansehen ... oh ist das schön, eine ganze Stadt entsteht dort oben, glutrot noch ...

Ich bin ganz allein, ich schaue, der Morgen wird hellblau ... dann entschwindet die ganze Herrlichkeit im gelben Licht einer aufgehenden Sonne hinter den Wäldern ... Am Morgen denke ich über das Geträumte nach und weiß, wer der Mann mit dem weißen Gesicht war. Mein Opa, er saß gerade am Küchentisch, das Rasiermesser und der Spiegel den er immer benutzte lagen da und er war gerade dabei, sich das Gesicht mit Rasierschaum einzuquasten, so wie er es eben immer tat und ich so oft zugeschaut hatte.
angi

Gelbe Wolken
Himmel in gelb und rot über einem Strommast
Wolken glühen wie Kohlen
Die Sonne schiebt die Wolkendecke weg mein Opa